Das Bundesgericht definiert die Kriterien für den Entscheid über die alternierende Obhut


Technorama, Winterthur, Dezember 2008. (Foto: Katharina Jeger)

Am 1. Juli 2014 wurde der allgemeine Grundsatz der alternierenden Sorge eingeführt. Die konkrete Ausgestaltung der täglichen Betreuung der Kinder wurde damit noch nicht definiert. Das Bundesgericht hat in zwei aktuellen Fällen über Beschwerden gegen Urteile des Thurgauer Obergerichts und des Genfers Kantonsgerichts die zu prüfenden Kriterien der alternierenden Obhut festgelegt. Beantragt ein getrenntlebender Elternteil die alternierende Obhut, muss der Richter anhand dieser Kriterien prüfen, ob sie Frage kommt.

Ob die alternierende Obhut in Frage kommt und ob sie sich mit dem Kindeswohl verträgt, ist anhand den konkreten Umständen zu beurteilen. Grundsätzlich kommt sie nur dann in Frage, wenn beide Eltern erziehungsfähig sind. Des Weitern erfordert die alternierende Sorge, dass die Eltern fähig und bereit sind, zusammen zu kommunizieren und zu kooperieren, so dass die organisatorischen Massnahmen und die gegenseitige Information funktionieren. Die geografischen Voraussetzungen sind zu berücksichtigen, namentlich die Distanz zwischen den Wohnungen der Eltern. Ebenfalls berücksichtigt wird die Stabilität, die eine Weiterführung des bisherigen Betreuungsmodells für das Kind mit sich bringt. Zusätzliche Gesichtspunkte der Beurteilung sind die Möglichkeit der Eltern, das Kind persönlich zu betreuen, das Alter des Kindes, seine Beziehung zu den Geschwistern und seine Einbettung in ein weiteres soziales Umfeld. Äussert das Kind hinsichtlich seiner Betreuung einen Wunsch, muss diesem Beachtung geschenkt werden, auch wenn das Kind bezüglich der Frage der Betreuungsregelung noch nicht urteilsfähig ist.

Die Erziehungsfähigkeit der Eltern ist in jedem Fall Voraussetzung für eine alternierende Obhut, die andern Kriterien sind voneinander abhängig und je nach konkreten Umständen von unterschiedlicher Bedeutung (Medienmitteilung vom 20.10.2016).

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